Eiskeller im Weinviertel – eine verlorengegangene Tradition

Eiskeller

Das Bildmaterial wurde von Gudrun Kurz zur Verfügung gestellt.

Dieser Keller in Enzersdorf bei Staatz wirkt unscheinbar und sieht wie ein üblicher Weinkeller aus, doch in Wahrheit war dies ein sogenannter Eiskeller – die man im Weinviertel nur noch selten auffindet. Vor Ort befinden sich Schilder, die erklären, was ein Eiskeller ist und zu welchem Zwecke er diente; ich zitiere:

„In den Jahren 1920 bis 1940 und davor gab es noch keine Kühlanlange und -schränke. Im Dorf gab es beim Wirt, beim Fleischhauer und der Milchgenossenschaft große Eisgruben, die aber heute nicht mehr benützt werden. Die Eisgruben waren ein Zylinderbau, der oben zugewölbt war. Die Gruben hatten einen Durchmesser von 4 bis 6 Meter und waren etwa 10 Meter tief. Sie waren ganz in der Erde versenkt. Diese Gruben wurden im Winter mit Eis gefüllt und dienten im Sommer zum Kühlen von Fleisch, Bier und aller Getränke.

Außerhalb des Ortes lagen die Eisteiche. Diese wurden im Herbst aus nahen Bächen mit Wasser aufgefüllt. Wenn das Wasser so stark gefroren war, daß man darauf gehen konnte, war die Zeit zum Eisner.

Es wurden Männer und Burschen eingeladen, die die Arbeit durchführen. Es begann damit, daß man das Eis aus dem Teich herausholte. Zwei Männer oder Burschen hackten dies mit Holzhacken in große Platten (Schollen oder Schürren) auseinander. Diese wurden dann von zwei, drei Männern ans Land geschoben, wozu man Eishaken (Feuerhaken) mit langen Stangen hatte. Nun wurden die Schürren aufgestellt und aneinander gelehnt. Diese Schollen waren sehr schwer und es mußten oft drei Mann fest zugreifen, damit man sie aufstellen konnte.

Am nächsten Tag kamen die Fuhrwerke zum Wegführen. Die Pferde mußten gut beschlagen sein und in die Hufeisen wurden gespitzte Stollen eingeschraubt, denn der Fahrweg war sehr eisig und glatt. Wenn es sehr kalt war, mußten die Pferde Decken am Rücken haben und die Männer haben die Stiefel mit alten Lumpen oder Säcken eingebunden. Um 7 Uhr wurde zum Teich gefahren. Hier wurden die Schollen auf die Truhenwagen geladen und zur Eisgrube geführt. An der obersten Stelle der Grube wurde das Eis eingeworfen. Da das Loch nur 1 1/2 bis 2 m² groß war, wurde die Scholle von einem Mann zerschlagen. In der Eisgrube standen 4 bis 5 Mann, die das Eis zerkleinerten, damit es ein fester Eisblock wurde. Wenn es kein Eis gab, behalf man sich mit Schnee. War zu wenig Eis und Schnee, mußte man zu teurem Kunsteis greifen.

Um 9 Uhr gab es warme Knackwurst und warmen Wein. Um 1/2 1 Uhr war das Mittagessen. In der Zwischenzeit gab es auch Schnaps zum Aufwärmen. Am Abend, wenn die Pferde versorgt waren, traf man sich beim Wirt zu einem kleinen Festmahl, und da blieb man oft bis Mitternacht beisammen. Bezahlung gab es keine, denn jedermann war froh, wenn er im Sommer ein kaltes Bier und Getränk hatte. Das Eisner war unser Wintersport. Es war eine lustige, gern gemachte Arbeit und alle wollten dabei sein. Zwei bis dreimal mußte der Teich ausgeeist werden, bis die Gruben voll waren.“

Eine höchstinteressante Thematik, von der ich bislang noch nichts wusste. Es scheint mir eine schöne Tradition gewesen zu sein, bei welcher ich auf jeden Fall gern einmal mitgeholfen hätte. Früher gab es Zusammenhalt in den Ortschaften, denn offensichtlich haben alle davon profitiert – und das wusste auch jeder. Jeder wusste es zu schätzen, heute scheint es selbstverständlich, dass Getränke gekühlt sind, früher war es mit enormer Arbeit verbunden. Ich spreche den Leuten, die das ausübten, großen Respekt aus.

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