Weinviertel-Interview mit Marillenbauer Dominik Schreiber

Überblick:

marillenanbau

Bildmaterial v. Dominik Schreiber

1 – Vorstellung und Werdegang von Dominik Schreiber
2 – Informationen über die Baumschule Schreiber
3 – Youtube-Kanal der Baumschule Schreiber
4 – Poysdorf und die Marillen
5 – Regionen mit ihren Besonderheiten
6 – Ertrag Obstsorten
7 – Begeisterung für den Beruf
8 – Problematik: Hagel
9 – Kompostwirtschaft
10 – Obstbaumschnitt + Schnittkurs
11 – Alternanz
12 – Veredelung
13 – Saftladen und Schnaps
14 – Selbstversorger Rigotti
15 – Poysdorfer Weine
16 – Richtiger Zeitpunkt zum Auspflanzen
17 – Poysdorfer Empfehlungen


Lesedauer: ~ 20 Minuten


Einleitung:

Das Weinviertel ist nicht nur für den Wein bekannt, der Raum Poysdorf könnte auch als „Marillenland“ bezeichnet werden. Dominik Schreiber und sein Vater leisten mit ihren Baum- und Rebschulen die Arbeit, welche dafür sorgt, dass die Hänge rund um die Stadt im April weiß erstrahlen. In diesem Interview erläutert Dominik Schreiber seinen Werdegang, wie er zum Drehen von Youtube-Videos gekommen ist, warum Marillen besonders im Weinviertel gut wachsen und vieles mehr. Dabei ist die Baum- und Rebschule kein Bio-Betrieb, aber die Philosophie der Schreibers richtet sich am gesunden Maß, der goldenen Mitte aus. Im Betrieb werden jährlich um die 300 Kubikmeter Kompost verwertet und die Bewässerung der Hänge erfolgt mit Brunnen, welche mit Photovoltaik betrieben werden.

Interview

SADW: Serwus, Dominik! Du bist noch sehr jung und scheinst viel herumzukommen. Auf deinem Youtubekanal hat man gesehen, dass du in Peru unterwegs warst, sowie in Deutschland und Tschechien. Nebenbei studierst du, arbeitest hier im Unternehmen und betreibst einen Youtubekanal. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?

Dominik Schreiber: Das geht nur, wenn du die richtigen Leute um dich hast. Ich bekomme irrsinnig viel Unterstützung von meinen Eltern und Großeltern, die wirklich viel für uns tun. Der Opa hilft mir auch viel zu Hause – wir haben einen Ab-Hof-Laden. In der Mittagspause kommen mein Vater und ich nicht wirklich zum Kochen – ein Anruf bei der Oma reicht und es gibt immer etwas Gutes zu essen. Es arbeiten einfach wirklich alle rundherum gut mit, auch meine Schwester, die aktuell in Barcelona arbeitet, aber zum Beispiel auch die ganzen Texte für die Homepage ins Englische übersetzt.

SADW: Könntest du uns was zu deiner Person und zu deinem Werdegang erzählen?

Dominik Schreiber: Ich bin 22 Jahre alt, bin am 15.07.1995 geboren, war vier Jahre im Gymnasium in Laa an der Thaya und habe dann nach Klosterneuburg in die Schule für Obst- und Weinbau gewechselt. Das ist eine fünfjährige Schule mit Matura, in der ich auch 2014 maturierte. Danach leistete ich den Zivildienst ab und entschloss mich zu studieren. Kurz nach der Matura entschied ich mich auch, mich mit einem Marillenbaubetrieb selbstständig zu machen.

Seitdem ich in Klosterneuburg in der Schule war, helfe ich auch im elterlichen Betrieb mit. Während meiner Schulzeit half ich vor allem in den Sommerferien und an den Wochenenden, wobei ich in den Sommerferien viele Praktika absolvierte. Dabei bin ich viel herumgekommen, zum Beispiel habe ich in Deutschland, Italien und England gearbeitet – und in Österreich natürlich auch. Das waren immer zwischen sechs und 12 Wochen.

Die Praktika habe ich persönlich sehr bereichernd gefunden, weil man dabei weit weg kommt und das ist noch einmal ganz anders, als zum Beispiel in meinen Fall, wenn man in Klosterneuburg im Internat ist. Selber bekommt man das nicht mit, aber in Klosterneuburg wurde mir erzählt, dass ich viel selbständiger geworden bin. Im Internat wird zum Beispiel für einen gekocht, aber in einem anderen Land, mit einer anderen Sprache, ist man mehr auf sich allein gestellt. Ich finde das auch für die Persönlichkeitsentwicklung wahnsinnig wichtig.

SADW: Was studierst du derzeit?

Dominik Schreiber: Unternehmensführung auf der FH Wien. Aber nicht mehr lange, weil heute in zwei Monaten ist es mit der Bachelorprüfung fürs Erste auch schon wieder vorbei. Ich überlege noch, ob ich noch einen Master dranhänge oder nicht.

SADW: Kannst du einen Überblick über den Betrieb geben und uns erzählen, wie lange es diesen schon gibt?

Dominik Schreiber: Die Baumschule gibt es jetzt circa 25 Jahre, sie ist damals von meinem Vater gegründet worden. Er hat das Unternehmen von Grund auf aufgebaut. Mittlerweile verkaufen wir eine ganz beachtliche Anzahl an Bäumen und punkten vor allem dadurch, dass wir eine enorme Vielfalt anbieten.

Du bekommst bei uns das ganze Kernobst von Apfel, Birne bis Quitte, aber auch Steinobst wie Marillen, Zwetschken, Kirschen, Nektarinen und auch Beerenobst. Alternative Obstarten, wie zum Beispiel Indianerbananen und Kaki bieten wir ebenfalls an. Was uns wirklich stark macht, ist, dass wir alle Pflanzen, die wir verkaufen, auch bei uns stehen und getestet haben, bevor wir sie verkaufen. Bevor wir eine neue Marillensorte verkaufen, hatten wir schon fünf Jahre vorher den Kontakt mit den Züchtern und die Marillen standen schon einige Jahre in Poysdorf. Erst, wenn wir feststellen können, dass sie an unserem Standort in Poysdorf einen deutlichen Vorteil gegenüber den Sorten, die wir schon vorher hatten, erzielen, nehmen wir sie ins Sortiment auf.

Aber ich muss dazu sagen, dass ich mich nicht als Youtuber sehe, ich bin Bauer!

SADW: Wie ist der Youtubekanal (Baum- und Rebschule Schreiber) entstanden?

Dominik: Die Idee dazu entstand relativ spontan eines Abends als ich noch in der Schule war. Da habe ich abends etwas auf Youtube angeschaut, unter anderem auch ein Video, in dem jemand über die Baumpflanzung und den Baumschnitt gesprochen hat. Mit dem, was im Video gesagt wurde, war ich nicht ganz zufrieden. Einerseits mit der Erklärung und auch mit der Art der Ausführung. Diese Videos hatten über 100.000 Aufrufe und waren mit einem ausreichend guten, aber auch sehr einfachen Stil gemacht.

Da wir jedes Jahr gratis Schnittkurse anbieten, in welchen wir das Ganze eigentlich auch erklären, habe ich zu meinem Vater gesagt: „So bekommen wir das auch hin.“ So hat das Ganze dann auch angefangen. Ich sagte zu meiner Mutter, sie soll sich kurz zehn Minuten Zeit nehmen, wir schnappen uns die Kamera und fahren auf die Anlage raus. „Filme mich bitte dabei, ich will wissen wie das ankommt.“

Und mittlerweile haben wir fast 50 Videos auf unserem Youtube-Kanal. Ich versuche alle zwei Wochen ein Video hochzuladen – je nachdem, wie es sich arbeitsmäßig ausgeht. Aber ich muss dazu sagen, dass ich mich nicht als Youtuber sehe, ich bin Bauer!

SADW: Es ist auf jeden Fall ein gutes Werkzeug für den Betrieb.

Dominik: Genau. Es ist ein gutes Werkzeug, auch um die Baumschule etwas bekannter zu machen. Es gibt viele Sachen, die wir oft gefragt werden und es gibt auch viele Mythen und Irrglauben, die total weit verbreitet sind, aber nicht stimmen. Bestimmte Fragen werden meinem Vater und mir jeden Tag während des Verkaufs gestellt und genau diese Informationen packen wir in die Videos. Wir ersparen uns dadurch auch Erklärungsbedarf. Den Kunden kann ich dann bei bestimmten Fragen zum Beispiel auch das Video per E-Mail durchschicken, da sieht er gleich mit Bild und Ton, wie das funktioniert.

SADW: Führst du den Kanal allein?

Dominik: Den Schnitt, den Upload und die Planung mache ich und beim Videodreh bin ich immer mit meinem Vater gemeinsam. Es ist jetzt nicht so, dass wir ein Skript dazu haben oder uns ewig lange darauf vorbereiten. Wir reden uns im Vorhinein schon zusammen, was zeitlich gerade passen könnte und was die Leute aktuell interessiert, dann überlegen wir uns davor in Ruhe, welche Punkte wir unbedingt ansprechen müssen.

Wir haben selber den Anspruch an uns, wenn wir ein Video zu einem Thema aufnehmen, dass wirklich das Thema komplett behandelt wird.

Wenn sich jetzt zum Beispiel jemand für Frostschutz interessiert, aber noch nicht viel Erfahrung damit hat und sich noch nicht viel eingelesen hat, dann kann er sich ein Video von uns ansehen, worin alle basics behandelt werden. Das kann manchmal 5 Minuten, oder auch 22 dauern. Mit unserem Video ist das abgedeckt und das ist unser Anspruch!

SADW: War es für dich eine Überwindung vor der Kamera zu sprechen und es online zu stellen?

Dominik: Für mich persönlich eigentlich nicht wirklich. Es ist einerseits schon etwas komplett anderes, vor der Kamera zu sprechen als vor einem Publikum, aber durch die Vorträge, bei denen ich teilweise vor 100-150 Leute spreche, war ich es gewohnt vor mehreren Leuten zu reden. Beim Marillensymposium habe ich zum Beispiel nicht nur vor Hobbygärtnern, sondern auch vor Fachleuten aus der ganzen Welt gesprochen. Wenn da 120 Fachleute vor dir sitzen, ist das auch noch einmal was ganz anderes.

Ich finde es schon unterschiedlich, wenn man jemandem in die Augen schauen kann oder wenn du in eine Linse schaust. Aber ich würde jetzt weder sagen, dass es schwieriger ist, noch dass es einfacher ist. Man muss es üben und wenn man es ein paar Mal gemacht hat, dann geht das eigentlich bei den meisten. Übung macht den Meister.

SADW: Mit welcher Software schneidest du deine Videos?

Dominik: Angefangen hat das mit iMovie, weil ich das am Computer hatte und ich mach das heute zum Teil auch noch so. Professionelle Software besitze ich keine. So wie ich es auch in den Videos sage, die basics müssen drinnen sein, und das versuche ich auch beim Videoschnitt.

Aber wie gesagt ich bin Bauer und kein gelernter Videoproduzent. Die Grundlagen müssen sitzen und passen. Vor Allem finde ich es wichtig, dass man einen guten Ton hat, da bemühen wir uns auch sehr. Überhaupt bei Erklärungsvideos ist das wichtig. Jetzt habe ich mir eine zweite Kamera zugelegt, weil wir zu unseren Schnitt-Videos auch immer wieder die Rückmeldung bekommen haben, dass man oft nicht genau sieht, wo man schneiden soll. Deswegen versuche ich in Zukunft aus zwei Winkeln zu filmen, sodass man dann eine noch bessere Sicht auf das hat, was wir in den Videos machen. Es wird simpel und schön bleiben.

dominik schreiber

Bildmaterial v. Dominik Schreiber

SADW: Poysdorf ist ja für die Marillen ziemlich bekannt, liegt das an der Ökologie beziehungsweise am Klima?

Dominik: Genau. Marillenanbau hat bereits lange Tradition bei uns.

Das Klima passt bei uns, weil wir nicht zu viel oder zu wenig Niederschlag haben. Marillenanbau in einem Anbaugebiet mit über 1.000 mm Niederschlag pro Jahr ist einfach schwierig. Von dem her passt es bei uns sehr gut, wir haben knapp die Hälfte davon (~ 500 mm).

Hier haben wir für Marillen ebenfalls eine sehr gute Topographie mit den Hügeln, die bei Frostnächten sehr von Vorteil sind. Man sollte eine Marille nämlich nie in ein Tal oder eine Senke hineinpflanzen, sondern am besten immer irgendwo an Hängen – auch das ist bei uns gegeben. Auch wenn wir keine wirklichen Berge haben, funktioniert das im Weinviertel sehr gut. Es ist das Gesamtpaket das für die Marille einfach stimmt.

SADW: Ist der lehmige Boden eigentlich ein Vorteil oder ist das eher egal?

Dominik: Egal ist es nicht. Durch die richtige Veredelung zum Beispiel, kann man sich auf den Boden aber anpassen.

SADW: Welche Obstsorten werden in euren Betrieb kultiviert?

Dominik: Zu viele. *lach* Das Zugpferd ist ganz klar die Marille, für die sind wir auch über die Grenzen hinaus bekannt. Mein Vater gilt als ein ganz großer Marillenspezialist- und Fachmann. Wir sind für Steinobst sehr bekannt (Pfirsich, Nektarine, Kirsche, Zwetschke), wir haben aber auch genauso Äpfel, Birnen, Quitten, viele Wildobstsorten wie: Dirndln, Nussbäume, Maroni, auch ausgefallene Sachen wie die Indianerbanane, Kaki, Maulbeeren. Ich müsste einmal nachzählen wie viele Obstsorten es sind, aber mittlerweile schon ziemlich viele.

SADW: Wie lange braucht zum Beispiel ein Maronibaum von euch bis er trägt?

Dominik: Es geht nicht ganz so schnell wie bei Marillen, also so, dass man schon im zweiten Jahr bereits zwei bis drei Kilo ernten kann, aber auch bei Maroni kann man nach zwei/drei Jahren durchaus die ersten Früchte haben. Wir haben auch schon Nussbäume oder Maroni gepflanzt, die im darauffolgenden Jahr erste Früchte getragen haben. Das sind dann aber eher nur Kostproben. Aber es wird dann Jahr für Jahr mehr.

SADW: Kann man auch sagen, für welche Obstarten die besten Bedingungen im Weinviertel herrschen?

Dominik: Ich würde sagen, dass wir für Kern- und Steinobst fast immer gute Bedingungen haben, wenn man die richtige Lage berücksichtigt. Man kann auch mit der richtigen Wahl der Unterlage sehr viel anpassen. Im Weinviertel ist mit Bewässerung fast alles möglich. Manche Obstarten sind vielleicht ein wenig schwieriger – zum Beispiel die Heidelbeere.

Heidelbeeren brauchen immer einen sauren Boden, wir haben aber extrem viel Kalk und hohe ph-Werte in unserer Region. Das heißt, wenn man Heidelbeeren im größeren Stil kultivieren möchte, dann muss man auf den Boden verändern und mit Torf anreichern o.Ä. Das Weinviertel wird nie eine große Heidelbeerregion werden, dazu müsste man die Böden zu sehr verändern. Die sind eher was für die Steiermark. Dafür ist die Steiermark wiederum mit ihren hohen Niederschlägen nicht wirklich prädestiniert für den Marillenanbau.

Birnen werden gerne auf Quittenunterlagen veredelt, diese Kombination verträgt zum Beispiel Kalk nicht gut. Deswegen wird Poysdorf auch nie wirklich ein besonders großes Birnenanbaugebiet. Wir haben sie bei uns auch stehen und es funktioniert auch gut, aber sicher nicht für die Ausführung im großen Stil.

SADW: Im Mostviertel zum Beispiel gibt es ja auch das Dirndltal, das für die Dirndln ganz berühmt ist.

Dominik: Ja genau, es bilden sich sozusagen regionale Cluster: Dort die Dirndln, bei uns die Marillen. Es gibt zum Beispiel auch die Elsbeere, die auch ihre eigene Region hat. Es kristallisiert sich mit der Zeit immer heraus, wo etwas besonders gut funktioniert.

SADW: Kannst du uns sagen, welche Obstart am meisten trägt?

Dominik: Nach dem Gewicht würde ich Apfel oder Birne sagen. Der Apfelanbau wurde in Südtirol in die Perfektion getrieben, wo 100 Tonnen pro Hektar keine Ausnahme sind, sondern fast der Durchschnitt. Dort schaffen sehr viele Bauern 100 Tonnen pro Hektar, weil die Bäume ganz eng gepflanzt sind und alles bis auf das letzte i-Tüpfelchen ausgereizt ist – viel mehr geht auch nicht mehr! In Österreich würde ich sagen, dass eher Erträge von 40-60 Tonnen pro Hektar bei Äpfeln die Norm sind.

SADW: Kann man einen Baum eigentlich auch so veredeln, sodass er zwei verschiedene Früchte trägt, bzw. dass zwei verschiedene Sorten oder Arten darauf wachsen?

Dominik: Bei den Sorten geht das ganz leicht – zum Beispiel können 2 verschiedene Marillensorten auf die gleiche Unterlage veredelt werden. Aber zwei verschiedenen Obstarten können auch auf einem Baum wachsen. Wenn man beispielsweise eine Zwetschke als Unterlage verwendet – die Unterlage ist immer die Wurzel, auf die veredelt wird – dann lässt sich darauf eine Marille, Pfirsich, Nektarine, Mirabelle, Ringlotte, Kriecherl, usw. veredeln. Das kann alles auf einem Baum wachsen, weil es sich verträgt. Einen Apfel kannst du aber zum Beispiel nicht darauf veredeln, das stößt sich einfach ab – das ist wie, wenn Menschen die falsche Blutgruppe erhalten. Es muss schon immer zusammenpassen, das nennt man im Fachjargon dann “Affinität”.

SADW: Deine Marillenanlage hast du uns bereits vorhin gezeigt, das ist natürlich auch eine ganz schön große Anlage.

Dominik: Ja. Wir pflanzen relativ eng, wir machen das mit unserem eigenen Erziehungssystem, welches mein Vater entwickelt hat. Er war einer der ersten, der sich zutraute, Marillen maschinell zu schneiden. Der maschinelle Schnitt bringt einen ganz wichtigen Vorteil und zwar, dass man andere Schritte besser optimieren kann. Man kann zum Beispiel das Ausdünnen optimieren. Für das Ernten habe ich vier Monate Zeit, für das Ausdünnen brauche ich genau so viel Zeit, aber ich habe nur zwei Wochen dafür. Das heißt, das ist auch die stressigste Arbeit.

marillen poysdorf

Bildmaterial v. Dominik Schreiber

Mit unserem “Schreiber´s-Slim-System” können wir das Ausdünnen bestmöglich optimieren. In diesem System pflanzen wir ein wenig enger, können aber mit einer Fadenmaschine – ein Gerät, mit welchen wir durch die Anlagen fahren – die Blüten ausdünnen und somit reduzieren. Drei bis vier Wochen später, wenn die Früchte ganz klein sind, gehört dann ein finetuning durchgeführt und die Früchte noch einmal reduziert, sodass nur die Anzahl an Früchten am Baum bleiben, mit der sich ein guter Ertrag und die beste Qualität erzielen lässt. Wir haben das gut im Griff und das macht die Weinviertler Marille auch aus.

SADW:Einmal eine andere Frage – was begeistert dich an der Natur?

Dominik: Vieles. Du kannst vieles schwer planen und musst auf viele Faktoren reagieren. Das Verrückte ist: Man arbeitet mit der Natur, aber ist ihr auch irgendwie ausgeliefert. Gegen einen Hagel oder ein Spätfrostereignis kann man nur zum Teil etwas unternehmen. Das macht den Obstbau manchmal auch schwierig. Aber wenn du dir heute in einer Woche das Blütenmeer anschaust (auf den Anlagen) – „Do hob i do drausst no kan gsehn, den des koit glossn hot.“ Da surrt alles in den Obstanlagen, unzählige Bienen fliegen herum. Wenn die ersten Begrünungen aufgehen und du die wunderschönen Marillen betrachtest und die Vielfalt, die du unter dir hast – das ist schon beeindruckend, wozu die Natur im Stande ist. Die Menschen könnten das nie so genau abstimmen, wie das die Natur von allein schafft.

SADW: Würdest du gerne etwas umsetzen, was heute vielleicht noch nicht möglich ist und was hast du für die Zukunft geplant?

Dominik: Ideen habe ich sehr viele, aber es happert momentan auch mit der Zeit. Wir müssen dann schon langsam aufpassen, dass wir uns nicht übernehmen. Das, was wir aktuell machen, darf nicht unter neuen Vorhaben leiden. Die Youtube-Videos haben uns zum Beispiel geholfen, das sind Mehrwert-Videos für den Kunden und für die Leute, die an den Pflanzen interessiert sind.

SADW: Habt ihr konkrete Pläne für die nächsten Jahre?

Dominik: Der nächste größere Schritt für uns in der Firma ist, dass wir den Raum, in dem wir sitzen, die Halle und das Büro fertigbekommen. Draußen soll auch gepflastert werden. Das ist der nächste Schritt, der für dieses Jahr geplant ist.

SADW: Ich wollte noch auf den Hagel zurückkommen. Du hast vorhin erwähnt, dass man bei Hagel und Frost nur teilweise was dagegen unternehmen kann. Was kann man bei Hagel unternehmen?

Dominik: Beim Hagel kannst du sinnvoll eigentlich nur die Anlagen einnetzen, sodass der Hagel in die Mitte der Reihe fällt und nicht auf den Baum. Sonst kenne ich gegen Hagel kaum eine sinnvolle Methode.

SADW:In einem sehr interessanten Videovortrag erzählt dein Vater mit Herrn Dr. Hartl und Karl Neustifter über Kompost und die Kompostwirtschaft in eurem Betrieb. Den Kompost bekommt ihr auch von Personen zugebracht. Werden eure Obstanlagen dann ausschließlich mit diesem Kompost gedüngt?

Dominik: Nicht ausschließlich, aber immer mehr. Wir versuchen immer mehr zu kompostieren und schaffen viele Kubikmeter, aber wir sind derzeit in unserem Betrieb beim Maximum angelangt, für die Kompostierung braucht man ja auch viel Platz. Wir probieren so viel wie möglich damit zu düngen, aber alles geht noch nicht. Das wäre aber auch ein Ziel, welches erstrebenswert ist und wir werden auf jeden Fall dranbleiben. Es spielen auch viele andere mit: Die Gemeinde bringt uns regelmäßig Schnitt und von Winzern und Kollegen bekommen wir Trebern – das sind die Reste, welche nach dem Weinpressen übrig bleiben.

SADW: Ist sicher auch viel Arbeit, immer den Kompost zu wenden usw. Aber es zahlt sich aus?

Dominik: Genau, es zahlt sich einfach aus. Kompostmachen ist kein Selbstläufer, da steckt ganz schön Know-How dahinter. Vor Allem ein frischer Kompost ist irrsinnig viel Arbeit, den muss man fast jeden Tag wenden. Da muss regelmäßig Sauerstoff rein und die Feuchtigkeit muss stimmen.

SADW: Wenn er gerade in der Hauptrotte ist, hat der Kompost ja um die 60 Grad, oder?

Dominik: Der erreicht eigentlich relativ schnell 60-70 Grad, das kann er innerhalb eines Tages erreichen. Wenn man die Hand länger drinnen hat, kann man sich sogar verbrennen! In dieser Phase sterben schlechte Mikroorganismen ab und man versucht in weiterer Folge mit einer positiven Mikrobiologie weiterzuarbeiten.

SADW: Kann man zum Obstbaumschnitt generelle Tipps geben? Oder ist das von Baum zu Baum unterschiedlich?

Dominik: Es gibt allgemeine Regeln, die für jeden Baum gelten, aber von Fall zu Fall unterschiedlich anzuwenden sind. Es gibt zum Beispiel ein paar Grundlagen wie:

  • Je stärker du einen Baum schneidest, desto stärker wächst er.
  • Je steiler ein Ast steht, desto schneller wächst er und
  • je steiler und stärker etwas steht und wächst, umso weniger Früchte hat es dann.
  • Auch zum Schnittzeitpunkt gibt es allgemeine Regeln.

Bei den einzelnen Obstarten muss man Feinheiten ausarbeiten, aber mit den Regeln kann man gut arbeiten.

SADW: Wenn ich jetzt einen Apfelbaum einpflanze, würde es da zum Beispiel reichen, wenn ich ihm die Seitenäste um ein Drittel einkürze?

Dominik: Beim Pflanzen, ja! Nach dem Pflanzen würdest du mit diesem Schnitt wahrscheinlich kaum Früchte erzielen, sondern nur Wachstum. Weil einjähriges oder zweijähriges Holz nach der Einkürzung auch immer Wachstum erzeugt. Wenn man einen Baum will, der viele Früchte hat und wenig wächst, dann muss man weniger abschneiden. Stattdessen sollte man mehr ableiten und schauen, dass man generell wenig schneidet. Das gilt zum Beispiel auch für jeden Obstbaum.

Beim Pflanzschnitt macht man das aber ein bisschen anders. Da ist es genauso, wie du es gesagt hast. Beim Steinobst kann man vor dem Einpflanzen die Seitentriebe und den Haupttrieb sogar um die Hälfte einkürzen. Bei Pfirsich und Nektarinen kürze ich alle Äste sogar um zwei Drittel ein. Da schauen die Kunden nicht schlecht, wenn sie den Baum von uns bekommen und ich ihnen sage, dass sie jeden Ast um zwei Drittel einkürzen sollen. Je stärker du den Baum beim Setzen einkürzt, desto schöner ist er im nächsten Jahr. Das tut vielen Leid. Aber derjenige, der es macht wird belohnt.

„Eine telefonische Auskunft über den Baumschnitt zu geben wäre meist unseriös.“

(Die allgemeinen Regeln kann man natürlich auch am Telefon erklären.)

Man sollte sich vor dem Pflanzen schon entscheiden, wie der Baum einmal ausschauen soll. Ob man jetzt einen drei Meter großen, oder sechs Meter großen Obstbaum haben möchte, das entscheidet man vor dem Kauf.

SADW: Ihr bietet ja auch Schnittkurse an, kannst du uns etwas darüber erzählen?

Dominik: Die Schnittkurse haben den ganz großen Vorteil, dass man “live” dabei ist und dazwischen auch Fragen stellen kann. Außerdem lernt man auch irrsinnig viel von den Fragen anderer. Die Kurse sind kostenlos und wir setzen sie auch meist an einem Sonntag an, sodass möglichst viele Leute kommen können. Ohne Anmeldung, der, der kommt, ist da!

Bei den Sommerschnittkursen gibt’s auch mehr als 50 verschiedene Früchte zum Kosten – alles, was gerade reif ist. Da kann man auch probieren, was einem schmeckt, wenn wir beispielsweise gerade 12 verschiedene Kirschensorten haben, kann man sich eine aussuchen, die einem schmeckt und von dieser dann zur Pflanzzeit einen Baum kaufen. So bekommt man auch das, was man für zu Hause haben möchte.

Beim Sommerschnittkurs machen wir circa eine Stunde Verkostung und dann Schneiden, beim Winterschnittkurs Schneiden und Einpflanzen. Wir schneiden immer Marille, Apfel, Birne, Kirsche, Nektarine, Zwetschke und Pfirsich – das wird bei jedem Kurs gemacht.

SADW: Wir haben heute schon einmal kurz darüber gesprochen – über Alternanz. Was ist das eigentlich und wann kommt’s dazu?

Dominik: Alternanz ist das Phänomen, dass ein Baum einmal sehr viele Früchte trägt und dann wenig, dann wieder viel – eben alternierend. Im Endeffekt passiert das meist durch zwei Probleme: Durch den falschen Schnitt und falsches Ausdünnen. Durch diese beiden Arbeitsschritte kann es auch vermieden werden. Da sind wir wieder beim Ausdünnen, es ist enorm wichtig. Bei unseren Marillenbäumen dünnen wir 90 Prozent der Blüten mit gutem Gewissen aus, wenn es nicht friert. Es wären ja sonst so viele, die hätten nicht einmal alle Platz am Baum.

Wenn man 90% zum richtigen Zeitpunkt ausdünnt, hat man am Ende mehr Ertrag, weil der Baum mit weniger Früchten auch weniger Stress hat und die einzelnen Früchte werden daher größer, geschmacklich besser, haben eine schönere Farbe und der Baum verfällt eben nicht in Alternanz.

SADW: Vermehrt ihr eure Pflanzen selbst?

Dominik: Ja, wir veredeln unsere Bäumen und schauen, dass wir von der ganzen Welt die besten Sorten zu uns holen, testen sie bei uns und was uns am besten gefällt veredeln wir dann und produzieren es in größeren Mengen.

SADW: Wie funktioniert die Veredelung genau?

Dominik: Es gibt verschiedene Techniken, aber die verfolgen alle dasselbe Prinzip. Kambium muss auf Kambium treffen um anwachsen zu können. Die Unterlage ist die Wurzel und das Edelreis ist der Trieb eines Baumes, der gewünscht ist. Diese 2 Komponenten werden durch die Veredelung zusammengeführt. Es gibt die Kopulation, die Okulation, den T-Schnitt und viele weitere. Wenn du ganz alte Bäume hast, dann kannst du die Geißfußveredelung verwenden. Bei uns im Betrieb machen wir Kopulation und “chip-budding”.

Wir Kopulieren bei uns Anfang Februar und Anfang August wird mit chip budding veredelt.  Dabei bist du über den Baum gebeugt und schneidest quasi nur ein Auge (chip) heraus, nimmst den Chip – das Edelreis – und setzt ihn auf die Unterlage drauf und verbindest das Ganze. Vom Prinzip her ganz simpel. Aber egal, welche Veredelungsmethode man verwendet, es muss immer Kambium auf Kambium treffen und das muss zusammenpassen, damit es zusammenwächst.

SADW: Wie groß ist die Unterlage üblicherweise?

Dominik: 30-40 cm bei uns. Aber manchmal wird auch bei älteren Bäumen in den Obstanlagen umveredelt. Zum Beispiel auf Versuchssorten, die wir möglichst schnell testen möchten.

SADW: Ihr produziert ja auch Saft. Kann man den bei euch kaufen und vertreibt ihr den Saft auch in Geschäften?

Dominik: Ja wir haben in Poysdorf im Zentrum, gegenüber von der Feuerwehr, den „Schreibers Obst- und Saftladen“. Das ist unser Ab-Hof-Laden. Da gibt es unser ganzes Sortiment an Obst und auch Säfte und Marmeladen – auch Produkte von Kollegen. Die Säfte und Nektare gibt’s auch im Bauernladen in Mistelbach und in der Gastronomie gibt es mittlerweile sehr viele, die unsere Säfte und Nektare dabei haben. Der Marillennektar ist in fast jedem Lokal in Poysdorf und auch einigen in der Umgebung zu haben. Und auch im Weinviertel-Shop im G3.

SADW: Brennt ihr auch selber Schnaps?

Dominik: Es sind unsere Früchte, aber ein Kollege brennt den Schnaps. Das wollte ich zum Beispiel nach der Schule machen, aber habe relativ bald gemerkt, dass damit noch einmal sehr viel Arbeit verbunden ist.

SADW: Wie ist denn der Kontakt zum Selbstversorger Rigotti entstanden?

Dominik: Ich habe gemerkt, dass uns der Florian folgte und unsere Videos schaut, dann hat er einmal ein Video hochgeladen, wo er einen Birnenbaum geschnitten hat und seine Zuseher gefragt hat, wie er das gemacht hat und ob jemand Erfahrung damit hat. Dann habe ich kommentiert und noch ein paar Tipps gegeben, mit denen er es vielleicht noch ein wenig optimieren könnte. Das hat ihm anscheinend gefallen und er hat mich kontaktiert, dass ich einmal vorbeischauen kann, um ein Video zu drehen. Der Florian ist ja aus Bayern und nach einem Seminar in Deutschland habe ich dann vorbeigeschaut.

SADW: Er scheint ein sympathischer Kerl mit interessanten Videos zu sein.

Dominik: Ja, der Florian ist ein total sympathischer Mensch. Ich finde es super, weil er authentisch ist, das was er in seinen Videos rüberbringt, das ist wirklich so. Er ist an so vielen verschiedenen Sachen interessiert. Bienen, Obst, Gemüse, usw. Seine Tipps sind meistens sehr sehr gut und er hat sich schon was dabei gedacht. Beim Florian gibt es keine halbherzigen Sachen, allein schon der Videoschnitt, was da für ein Aufwand dahinter steckt, das ist gigantisch.

SADW: Die Stämme von Obstbäumen werden oft weiß angestrichen. Vielleicht kannst du dazu noch etwas sagen? Was ist der genaue Sinn des Anstrichs?

Dominik: Im Frühjahr ist es so, dass die Nächte kalt sind und wenn die Sonne herauskommt erwärmt sich alles sehr schnell. Auf der einen Seite des Stammes ist die Sonne und auf der anderen ist Schatten, sodass die eine Seite warm wird und die andere kalt bleibt. Durch diese Temperaturdifferenz reißen die Stämme auf, weil Spannungen entstehen. Das kann man mit der weißen Farbe verhindern oder zumindest reduzieren, weil sie das Licht reflektiert und es entstehen weniger Eintrittsstellen für Schädlinge. Es ist quasi Pflanzenschutz. Das ist aber ein Thema, an dem sich die Geister scheiden.

Meist wird dieser Anstrich mit Kalk gemacht. Dabei ist aber zu beachten, dass dieser je nach Witterung meist nur 4-8 Wochen hält und während des Winters erneuert werden muss. Das ist sehr aufwendig, aber kann den Bäumen guttun. Aus Zeitgründen machen wir in unseren Obstanlagen schon einige Jahre keinen Anstrich mehr, für den Hausgarten aber eine durchaus interessante Möglichkeit.

SADW: Poysdorf ist ja auch für den Wein bekannt. Kannst du einen empfehlen?

Dominik: Wenn du in Poysdorf bist, solltest du einfach einen Weinviertel DAC trinken. Wer sich Poysdorf angeschaut hat, aber keinen Weinviertel DAC und keinen Marillennektar getrunken hat, der war nicht in Poysdorf.

SADW: Kannst du auch einen bestimmten Weinbauer empfehlen?

Dominik: Bei Poysdorf kann ich wirklich mit gutem Gewissen sagen: Wenn ich einen einzelnen nennen würde, wäre das nicht fair. Wohin man auch geht, der Wein schmeckt. Poysdorf macht nicht ein spezieller Winzer aus, sondern die Vielfalt und, dass das Niveau so hoch ist.

SADW: Falls wir unter den Lesern Leute dabei haben, die auf Arbeitssuche sind – sucht ihr aktuell Mitarbeiter?

Dominik: Im Prinzip immer und erst recht jetzt, weil jetzt fängt die Zeit an, in der es ans Ausdünnen geht. Vor Allem auch Leute die mit Maschinen (Traktor) umgehen können, sind immer sehr gefragt. Da freue ich mich über jeden, der sich bei mir meldet (email-adresse, homepage).

SADW: Wann pflanzt man einen Obstbaum optimalerweise aus?

Dominik: Entweder spät im Herbst oder zeitig im Frühjahr. Es ist wichtig, dass der Baum beim Pflanzen in der Winterruhe ist. Je weiter der Baum ausgetrieben ist, desto schwerer tut er sich beim Anwurzeln.

SADW: Wenn ein Baum jahre- oder jahrzehntelang falsch geschnitten wurde, kann man das noch reparieren?

Dominik: Man kann fast alles reparieren, aber nicht mit groben Schnitten. Leute hoffen oft auf einen Wundertipp, aber Pflege, die 10 oder 15 Jahre versäumt wurde, kann man nicht auf einmal aufholen. Man braucht fast so lange wie der Baum nicht oder falsch geschnitten wurde, um ihn wieder hinzubiegen. Nicht alles auf einmal, da erreicht man meist das Gegenteil.

Es gibt ein Sprichwort von meinem Vater, das werde ich mir ewig merken: „Dominik, du musst einen Baum so schneiden, dass er nicht merkt, dass er geschnitten wurde.“

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Bildmaterial v. Dominik Schreiber

Mit dem Hintergedanken, man soll einen Baum mit Gefühl und sanft schneiden und sich dabei was denken und den Baum auch als Gesamtbild sehen und nicht nur die einzelnen Äste. Das kann ich jedem mitgeben.

Empfehlungen:

  • Reichensteinhof
  • Eisenhuthaus
  • Weinhotel Rieder
  • Kellergassen in Poysdorf
  • Gstettn und Podium
  • die wunderschönen Rad- und Wanderwege
  • Winzerfest und Weinviertler Kirtag (24. Juni)
  • Vinoversum
  • Genießerhof Haimer
  • Golfhotel
  • und natürlich unseren Obst- und Saftladen

Die Baum- und Rebschule Schreiber könnt ihr auch hier besuchen: https://www.schreiber-baum.at/

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