Weinviertel-Interview mit Erdölexperte Dr. Gerhard Ruthammer


Einleitung und Vorstellung

Gerhard Ruthammer

[Gänserndorf] Gerhard Ruthammer kennt sich wie kaum ein anderer mit dem Erdöl im Weinviertel aus. Er vereint extensive theoretische und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet in einer Person und hat uns in einem ausführlichen Gespräch sämtliche Informationen zum Thema dargeboten. Vielen ist er dank dem Buch “Öldorado Weinviertel” bekannt, das aber nicht sein einziges ist. Mit Winkler-Hermaden hat Herr Ruthammer unter anderem ein Buch über Reptilien, sowie jeweils eines über giftige und essbare Pilze verfasst. Die Kritik, das Buch “Öldorado Weinviertel” wäre ein “Hochjubeln der OMV”, ist sicher nicht angebracht, da es die Tätigkeit der OMV selbst kaum berührt. Das Buch erzählt vielmehr die Geschichte über das Öl im Weinviertel von 1900 bis 1955, mit einem kleinen Ausblick auf die Jahre danach.

SSADWV (== Schnappschüsse aus dem Weinviertel, Name unserer Facebookseite)

SSADWV: Grüß Sie Herr Ruthammer! Sie sind Doktor und Professor. Wie kam es dazu? Vielleicht könnten Sie zu Beginn ein Wenig über sich erzählen.

Herr Ruthammer: Ich bin in Wien geboren und in Wien in die Mittelschule gegangen. Eine Zeit lang lebte ich bei meinen Großeltern in Ulrichskirchen, bin dort auch in den Kindergarten gegangen und teilweise in die Volksschule.

1962 war in der Mittelschule ein Berufsberater zu Besuch und hat gefragt, was wir einmal werden wollen. Ich habe geantwortet, dass ich in Leoben Erdölwesen studieren möchte, woraufhin er mein Vorhaben stark hinterfragt hat, weil er der Ansicht war, dass es in wenigen Jahren sowieso in Österreich kein Öl und Gas mehr geben wird. Ich habe mich davon aber nicht abhalten lassen und habe mein Studium mit sehr viel Freude absolviert. Zwischendurch habe ich, aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung, ein Jahr lang als Holzhandelsvertreter gearbeitet und während des Studiums auch drei Jahre lang an einer Mittelschule unterrichtet.

Damals gab es eine Flaute in der Erdölbranche, weil der Ölpreis sehr niedrig war, ich hätte aber ohne Weiteres eine Anstellung bekommen können. Aber meine Gattin war so bodenverhaftet – eine echte Steirerin – dass ich den Entschluss fasste, in Leoben am Erdölinstitut zu bleiben, wo ich dann auch meinen Doktortitel erworben habe, um direkt im Anschluss zur OMV nach Gänserndorf zu wechseln. Nach knapp 20 Jahren bei der OMV bin ich auf Anfrage der Universität Leoben als Professor für Bohrtechnik und Erdöl- und Erdgas Produktionstechnik tätig geworden. In dieser Zeit habe ich den Kontakt zur heimischen Erdölproduktion gepflogen und viele Seminare und Vorträge bei der ÖMV und RAG gehalten.

Ich bin in der ÖMV sehr viele Stationen durchgangen und war mehrfach an konzernweiten Projekten tätig, die zum Teil sehr herausfordernd waren, da es auch um Rationalisierungsmaßnahmen ging. So wurden zum Beispiel drei Betriebe (Bohrbetrieb, Fuhrpark und Erdölförderbetrieb) im Raum Gänserndorf zusammengelegt. In Gänserndorf war ich u.a. Leiter der Erdöl- und Erdgasproduktion bis ich dann nach Wien wechselte wo ich zum Leiter „Petroleum Engineering“ bestellt wurde. Da die ÖMV zu dieser Zeit bereits international tätig war, wurde die Bezeichnung Leiter durch das im internationalen Geschäft übliche “Vice president” ersetzt. Anschließend war ich eineinhalb Jahre in der Zentrale am Otto-Wagner Platz tätig.

Als sich die ÖMV AG – mittlerweile auf OMV Aktiengesellschaft umbenannt – auf die Suche nach neuen Geschäften begab, schuf man eine Abteilung „Geschäftsentwicklung“, deren Leitung man mir übertrug. Als innovativ und voll mit dem Know-how der OMV abdeckbar stellte sich das Thema Umwelttechnik heraus. Es wurden mit mehreren, auf diesem Gebiet bereits tätigen und heute maßgeblich Firmen, wie etwa Saubermacher, PORR Umwelttechnik, ASA uam. Gespräche zur Zusammenarbeit oder Übernahme geführt. Auch wurden 2 Tochterfirmen gegründet, deren Beirat ich leitete. Die „Proterra“ hat sich mit der Reinigung von kontaminierten Böden beschäftigt und betrieb eine biologische Anlage in Neusiedl an der Zaya, wo das kontaminierte Material biotechnisch aufbereitet wurde. Das so gereinigte Erdreich wurde zur Rekultivierung liquidierter Sondenplätze aufgetragen.

Unsere zweite Firma hieß „Cogeneration“ und befasste sich, wie der Name sagt, mit Kraft-Wärme-Kopplungen. Diese Anlagen erzeugen Wärme und Strom und werden für die Prozesse der OMV gebraucht. Der Bereich war so gewachsen, dass wir die Anlagen der Industrie anbieten konnten und zum Beispiel eine große Papierfabrik in Oberösterreich damit ausrüsteten.

Hier in Gänserndorf war außerdem ein Park für unkonventionelle, regenerative Energien geplant. Dabei sollte neben einer Kraft-Wärme-Kopplung ein Windrad errichtet werden und eine Sonde zur Gewinnung geothermischer Energie umgerüstet werden. Letztlich entschied sich die OMV damals – wahrscheinlich aus Sorge um ihr Image – nicht ins Umweltgeschäft einzusteigen. Heute jedoch, 20 Jahre später, gibt es allerdings wieder Aktivitäten auf diesem Gebiet.

Denn schauen Sie – Professoren gibt es so viele – aber Bergräte in diesem Sektor gibt es vielleicht zehn lebende.

Zurück zu meinem Werdegang: Ich habe eigentlich meine Tätigkeit an der Universität nie unterbrochen und habe über 20 Jahre durchgehend Vorlesungen – als ich die Professur noch nicht hatte – gehalten. Dafür verlieh mir die Universität den Titel Honorarprofessor, was einer Habilitation gleichkommt. Dann wurde ich Universitätsprofessor und knapp vor meinem Abgang bei der ÖMV habe ich noch den Berufstitel „Bergrat h.c.“ vom Bundespräsidenten verliehen bekommen. Das ist die höchste Auszeichnung für jemanden, der sich auf dem Gebiet des Erdölwesens verdient gemacht hat. Zur Zeit sind dies nur 10 Personen in Österreich. Dieser Titel macht mir sehr viel Freude, auch deshalb weil mich jemand mit den Worten „Professoren gibt´s viele, Bergräte nur sehr wenige“ bedachte.

Ich hatte sehr gute Kontakte zur österreichischen und deutschen Erdölindustrie und darüber hinaus war ich Mitglied vieler internationaler Vereinigungen, etwa als Experte in Brüssel, wo ich eingereichte Projekte beurteilte. Außerdem war ich Mitglied einer Gesellschaft, die von den Spitzenfirmen der Erdölindustrie in der Nordsee gegründet wurde und konnte dort Projekte für die OMV und die Universität Leoben einbringen.

Um noch einmal an die Umweltthematik von vorhin anzuknüpfen: In Schönkirchen/Reyersdorf befindet sich eine Wasseraufbereitungsanlage, für das bei der Erdölproduktion mitgeförderte Formationswasser. Wir fördern ja quasi eine “Rindssuppe” – Wasser mit ein paar Fettaugen – und dieses Wasser wird wieder in den Untergrund verpresst. Die großen Wasserbecken der Anlage sind noch vorhanden, aber heuer ist eine neue Anlage in Betrieb genommen worden. Die biologische Aufbereitung des Wassers erfolgt jetzt in einem geschlossenen System. Das heißt, die Wässer haben keinen Kontakt mit der freien Atmosphäre und es besteht keine Gefahr aufgrund des Bakterienwachstums.

SSADWV: Wir haben gelesen, dass die zutage geförderte Flüssigkeit nur noch zu ca. 10% aus Öl besteht und der Rest Wasser ist.

Herr Ruthammer: Leider noch weniger, im Schnitt müssen wir mit 93% Verwässerung und 7% Öl rechnen. Das Wasser muss natürlich auch behandelt werden, wird dann reinjiziert, also in die Lagerstätten zurückgebracht und dient dort zur Verbesserung der Entölung. Wenn dieses Wasser nicht ganz sauber ist, dann verlegt es den Porenraum unter der Erde, kann seine Wirkung nicht entfalten und es müssen Maßnahmen getroffen werden, um das wieder sauber zu bekommen.

Teilweise ist die Aufbereitung recht aufwendig. Zum Beispiel wird das Wasser aus dem Hochleitenwald – dort ist ja ein Erdölfeld – bis nach Schönkirchen gepumpt, dort gereinigt und wieder zurückgepumpt. Mit dem Nachteil, dass es von einem anaeroben Milieu, in ein aerobes übergegangen ist. Die anaeroben Bakterien wurden im Prozess zwar “umgebracht”, sind aber im Wasser geblieben und beim Kontakt mit der Luft haben sich dann auch noch aerobe Bakterien gebildet. Das hat dazu geführt, dass der Porenraum im Gestein, durch den das Öl fließen soll, verlegt wurde. Seit den 60er Jahren ist von dem Wasser nichts mehr in die Flüsse geleitet worden. Die Älteren erzählen ja heute noch, dass das Öl im Weidenbach in allen Spektralfarben geleuchtet hat. Das war aber noch in der “Russenzeit”, wie man so schön sagt, bis 1955 hat man sich darum nicht gekümmert, was umwelttechnisch eine Katastrophe war. Dann wurde damit begonnen das Wasser zu sammeln, zu reinigen und zu reinjizieren – das war eine Pionierleistung in der Erdölindustrie.

SSADWV: Dankeschön Herr Ruthammer für diesen Überblick. Sie haben jetzt Ihren Tätigkeitsbereich ziemlich ausführlich beschrieben. Wie hat ein typischer Arbeitsalltag als Produktionsleiter bei der ÖMV ausgesehen?

Herr Ruthammer: Es war so: Ich habe am Anfang um 7 Uhr Früh begonnen, habe dann aber bemerkt, dass das zu spät ist. Das habe ich schon als Betriebsabschnittsleiter gelernt, weil die Fördermeister, mit welchen man sich in der Früh bespricht, schon um halb sieben anfangen. Um sieben Uhr waren die schon wieder am Arbeitsplatz und haben die Arbeit eingeteilt. Danach habe ich die Förderdaten ausgewertet, sprich ich habe geprüft wo wir hinten nach sind und welche Sonden ausgefallen sind. Das habe ich dann den zuständigen Stellen zukommen lassen, dabei hat mir meine Erfahrung aus der Produktionstechnik geholfen und ich konnte diesen Abschnitt sehr gut leiten. Es ist aber auch hervorzuheben, dass ich sehr gute Mitarbeiter gehabt habe. Im Großen und Ganzen war ich hauptsächlich damit beschäftigt, den Förderplan zu erfüllen und Wege zu finden, den Lagerstätten mehr Öl zu entnehmen, neue Technologien anzuwenden und vor allem die Förderkosten pro Tonne Öl zu senken .

Ein Problem ist auch, dass die Sonden nicht mehr eruptiv, also durch den Druck in der Lagerstätte fließen und Pumpen eingesetzt werden müssen. Aber auch mit Pumpen kommt man nur an das Öl heran, das durch die Druckdifferenz in die Sonde einfließen kann. Wenn aber die Fließwege blockiert sind, dann müssen die sogenannten „enhanced oil recovery“- Methoden, früher wurden die auch Sekundär- und Tertiärverfahren genannt, angewendet werden. Die am längsten bekannte Methode ist das Wasserfluten, wobei Wasser in die ölführenden Gesteinslagen eingepresst wird, wo es dann das Öl zu einer Fördersonde verdrängen soll. Das geht jetzt ein bisschen in die Theorie, aber leider ist es nicht so, dass Öl immer gleich leicht fließt. Das Gas strömt am besten durch die Lagerstätten, dann das Wasser und am schlechtesten das zähe Öl.

Um dieses Öl relativ fließfähiger zu machen kann man die Viskosität des eingepressten Wassers erhöhen, sodass im Optimalfall das Öl besser fließt als das Wasser. Eine andere Methode ist die thermische, bei der Dampf in die Lagerstätte gepresst und die Viskosität des Öls verringert wird. So kann die Entölung erheblich verbessert werden und es verbleiben nicht mehr rund zwei Drittel des Öls in der Lagerstätte, wie dies derzeit der Fall ist. Auf dieses „Restöl“ gehen die Ölkonzerne jetzt bevorzugt los. Dabei hilft natürlich ein höherer Ölpreis, da die Fördermethoden teuer sind. Deshalb steigen auch die ausgewiesenen Reservenzahlen, wenn der Ölpreis steigt, weil sie erst dann wirtschaftlich zugänglich sind.

SSADWV: Was hat die Arbeit für Sie besonders interessant gemacht?

Herr Ruthammer: Ich habe es sehr geschätzt und genossen, dass man einem jungen Ingenieur einen weiten Spielraum gewährte. So konnten wir innovative Ideen verfolgen und gemeinsam umsetzen. Das brachte viele Erfolge, die eine wirtschaftliche Förderung in alten Erdölfeldern ermöglichten.

Deshalb gaben die Firmenverantwortlichen den jungen Ingenieuren recht früh die Möglichkeit in Amerika einige Wochen Erfahrungen zu sammeln und die Ehrfurcht gegenüber dem amerikanischen Know-how abzulegen.

SSADWV: So konnten Sie Ihre Erkenntnisse aus Forschung an der Universität also gleich anwenden.

Herr Ruthammer: Richtig, und dann natürlich mit der Zeit auch ein bisschen über den Tellerrand blicken und schauen was die anderen machen. Da bin ich sehr oft auch in Amerika gewesen und man kann über die Amerikaner sagen was man will, aber auf diesem Gebiet sind sie einfach unschlagbar! Wenn wir im Jahr zum Beispiel 10 Bohrungen niederbringen, dann sind das in Amerika etliche tausend. Das bewirkt natürlich auch ein Vielfaches an Erfahrungsgewinn und Kostenreduktion. Deshalb gaben die Firmenverantwortlichen den jungen Ingenieuren recht früh die Möglichkeit in Amerika einige Wochen Erfahrungen zu sammeln und die Ehrfurcht gegenüber dem amerikanischen Know-how abzulegen, weil man bald erkannte, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird und man selbst ohne Weiteres „mithalten“ kann. Als ich nach meiner ersten dieser Reisen wieder zurück in Österreich war, habe ich dann Dinge, die mir gefallen hatten, umsetzen können. Zu einem großen Prozentsatz waren sie erfolgreich.

Was mir auch sehr gefallen hat, war der Umgang mit Menschen. In meiner Zeit als Produktionsleiter waren etwa 350 Mitarbeiter in der Förderung tätig. Auch alteingesessene Fördermeister, die noch in der “Russenzeit” ihre Tätigkeit begonnen hatten, konnte ich von neuen Methoden überzeugen. Der gemeinsame Erfolg hat mir eigentlich am meisten Freude bereitet. Außerdem konnte ich das neue praktische Wissen, das ja stetig zugenommen hat, wieder an die Uni bringen.

SSADWV: Das war also ein gegenseitiges Geben und Nehmen! Da sie die Russen angesprochen haben: Die OMV hat sich dieses Jahr mit knapp einem Viertel an einem der größten Erdgasfelder in Sibirien beteiligt (Juschno-Russkoje) und das Gas soll im Zuge des Nord Stream Projekt nach Deutschland fließen. Bleibt dieses Gas in Deutschland oder haben wir in Österreich auch etwas davon?

Herr Ruthammer: Das geschieht im Gasverbund. Wir sind mit Deutschland sowieso die längste Zeit verbunden, weil die Deutschen zum Teil auch Gas aus Russland über Österreich bezogen haben. Vorwiegend ist das Gas aus Russland in Baumgarten an der March angekommen – das ist die Drehscheibe – von wo es in Europa verteilt wird. 1968 wurde der erste Gasliefervertrag mit Russland unterzeichnet und Österreich war damit das erste Land in Europa, das mit Russland einen Vertrag dieser Art abgeschlossen hat. Das zur Zeit aktuelle Nordstream-Projekt ist ja noch nicht ganz ausgestanden, weil sehr viele – ich sage das wertfrei – nicht damit einverstanden sind, dass die Russen diese Pipeline bauen. Aber ich glaube im Interesse der Energiesicherheit Europas ist es sinnvoller, sibirisches Gas in noch größerem Umfang zu beziehen, als dass man von anderen Quellen abhängig wird.

Gas aus Nordafrika oder vom Arabischen Golf könnte auch nur verflüssigt importiert werden, was aber sehr teuer ist. Amerika möchte sein derzeitiges Überangebot an Gas auf diese Art zum Beispiel an Polen verkaufen. Ich muss aber sagen, dass Russland – was die Gaslieferungen betrifft – seit über 50 Jahren eine verlässliche Vertragstreue an den Tag gelegt hat. Österreich tut also gut daran, diese Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Alternativ ist auch Gas aus Norwegen oder Holland eine Möglichkeit, die im Sinne eines Netzes, wie wir es beim Strom haben, natürlich anzustreben und vorteilhaft ist. Die Vertragsbedingungen sind vor allem bei Beteiligungen so gut, dass man die eigenen Förder- und Gestehungskosten senken kann. Österreich ist ja sozusagen “Weltmeister“ bei der Förderung alter Lagerstätten. Dass wir den größten Teil schon 60 Jahre und länger wirtschaftlich fördern können, zeichnet uns als “brownfield experts” aus.

SSADWV: Die österreichischen Kohlenwasserstoffreserven betragen ca. 107 Mio. boe (Fass Öläquivalent) – wie lange kann man Österreich damit versorgen?

Herr Ruthammer: Die Reserven werden stets für den 31.12. eines Jahres ausgewiesen und die Reichweite, also die noch mögliche Förderzeit wird als Kennzahl angegeben. Man dividiert die Reserven durch die letzte Jahresproduktion. Dieser Wert wäre für Österreich knapp 8 Jahre. Das hat aber mit der tatsächlich möglichen Förderzeit nichts zu tun, weil unterstellt wird, dass die Jahresproduktion gleich bleibt, nichts neu gefunden wird und keine anderen Fördermethoden eingesetzt werden können, weil der Ölpreis sich nicht ändert.

Der beste Weg im ganzen Energiesektor ist, zu versuchen Energie einzusparen. Bei jedem Liter Öl oder Gas ist es zu schade, um ihn zu verbrennen!

SSADWV: Dass Reserven mit dem Preis ansteigen ist eigentlich ein paradoxes Verhalten, aber die Reserven können ja nicht für immer steigen.

Herr Ruthammer: Meine Leidenschaft für Kohlenwasserstoffe werde ich sicher nicht so schnell los, aber ich habe immer betont, dass mir persönlich jeder Liter Öl oder Gas, zu schade zum Verbrennen ist. Das ist meine Botschaft, die ich versuche klarzulegen. Der beste Weg am ganzen Energiesektor ist, zu versuchen Energie einzusparen.

Bei der Suche nach Alternativen für Kohlenwasserstoffe, geht es im Endeffekt immer um die Luftverschmutzung durch Verbrennungsmotoren. Aber wer spricht über die Bereiche, für die das Erdöl und auch das Erdgas ein Grundstoff ist. Da gibt es zum Beispiel die pharmazeutische Industrie oder die Kunststoffindustrie, um nur zwei zu nennen. Elektrizität macht nur einen Teil des Primärenergiebedarfs aus, Kohlenwasserstoffe werden aber auch in den nächsten 20 bis 25 Jahren weit über 50% des Primärenergiebedarfs decken müssen. Der Energiegehalt von einem Liter Öl ist einfach so enorm hoch im Vergleich zu allen anderen Möglichkeiten der Energieversorgung. Ich bin der Ansicht – und das betonte ich auch in meinen Vorlesungen – dass Öl und Gas als Energielieferant so weit wie möglich durch Alternativenergien ersetzt werden und so als Rohstoffe der Menschheit noch lange Zeit zur Verfügung stehen sollten.

SSADWV: In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass sich gerade im Weinviertel das größte zusammenhängende Ölfeld auf der europäischen Landmasse gebildet hat – das Matzner Feld – wie ist es dazu gekommen und welche Vorbedingungen waren dafür notwendig?

Herr Ruthammer: Die Vorbedingungen habe ich versucht in meinem Buch zu beschreiben. Die zu 99% vertretene Theorie besagt, dass als Grundlage für das Vorkommen von Kohlenwasserstoffen riesige Mengen an biogenem Material vorhanden sein müssen – was praktisch nur in einem Meer möglich ist, so ähnlich wie es jetzt im Schwarzen Meer der Fall ist. Das Wasser am Grund des Meeres muss sauerstoffarm sein, sodass die abgesunkenen Lebewesen, vor allem Plankton, absterben und einen Faulschlamm bilden können. Dieser wird dann im Laufe der Zeit zugedeckt, zum Beispiel von den Sedimenten, die Flüsse ins Meer spülen.

Konkret war das im Weinviertel so, dass im Raum Mistelbach ein Flussdelta war, welches in das pannonische Meer mündete. Der Muschelberg in Nexing zeugt noch heute davon – das war sozusagen ein Strandgebiet von diesem Meer. In diesem Meer haben sich die Sedimente in tausende Meter mächtigen Schichten abgelagert, welche einen enormen Druck auf den Faulschlamm ausübten. Dadurch sank der Schlamm immer tiefer und wurde dabei immer höheren Temperaturen ausgesetzt. In diesem so entstandenen „Muttergestein“ fand die Bildung von Öl und Gas statt. Diese stiegen im porösen Gestein auf bis sie eine undurchlässige Schichte erreichten und sich hier zu einer Lagerstätte sammelten.

Die Matzner Sande haben eine sehr hohe Porosität und Durchlässigkeit, was für die Förderung ideal ist. Es gibt aber auch viele Kohlenwasserstoffvorkommen bei denen das Gestein nur gering porös und durchlässig ist und eine wirtschaftliche Förderrate nicht möglich ist.

SSADWV: Schiefergas wäre das zum Beispiel?

Herr Ruthammer: Ja genau, da kommt jetzt das angeblich so “böse” Schiefergas ins Spiel.

Einmal war ich in Deutschland von der evangelischen Akademie zu einem Vortrag über Kohlenwasserstoff-Ressourcen eingeladen. Auch Vertreter der Autoindustrie waren eingeladen sowie etliche „Erdölgegner“. Ich sollte erklären, wie aus Ressourcen förderbare Reserven werden. Ich erläuterte anhand des „Ressourcendreieckes“ alle Arten der Öl- und Gasvorkommen und die möglichen Gewinnungsmethoden. Als ein Beispiel habe ich “shale gas” (Schiefergas) erwähnt. Wenn die Förderung vernünftig vonstatten geht, kann da nichts passieren. Der Film aus den USA, bei dem Wasser aus einem Hahn fließt und brennt, ist ein Fake und wurde als solcher auch verurteilt, hält sich aber hartnäckig. Meine nicht ganz ernste Feststellung dazu ist, dass ein unfähiger Installateur Leitungen falsch angeschlossen hat.

Das “Fracturing” wird schon seit 1940 eingesetzt und auch in Österreich wird schon seit Ende der 50er Jahre gefrackt. Anders ist es heutzutage fast unmöglich, eine wirtschaftliche Förderrate aus bestimmten Lagerstätten zu erzielen. Diese Verfahren heißen deshalb auch Stimulationsmaßnahmen, da sie Lagerstätten stimulieren Öl oder Gas freizugeben. Eine andere Art des Stimulierens ist das noch ältere „Säuern“, bei dem mit Säuren Fließwege in der Lagerstätte gereinigt oder erweitert werden.



SSADWV: Das Risiko ist also kontrollierbar, weil die Substanzen dem Bohrloch nicht entweichen können?

Herr Ruthammer: Der Prozess findet im Grunde in einem geschlossenen Kreislauf statt. Was ins Bohrloch eingepresst wird, muss auch wieder zurück gefördert werden, mitsamt Öl und Gas. Deshalb ist in Österreich in über 50 Jahren auch nie ein Schaden entstanden. Sonden, die zum Einpressen umweltbedenklicher oder –gefährdender Flüssigkeiten verwendet werden, sind mit speziellem Zement und resistenten Stahlrohren ausgekleidet. Es kann aber sein, dass in Amerika die Sicherheitsbestimmungen lockerer waren und die Lagerstätten teilweise nicht tief genug für das Verfahren liegen. Theoretisch sieht das so aus, dass die eingepresste Flüssigkeit nur vertikale Risse im Gestein öffnet, wenn darüber tausende Meter Gestein liegen. Wenn die Lagerstätte allerdings näher an der Oberfläche liegt, dreht sich der Sachverhalt um und es können sich auch horizontale Risse bilden, wodurch schädliche Substanzen ins Grundwasser gelangen könnten. Das selbe Problem besteht auch bei der Erdgasspeicherung – das Gas kann austreten. Deshalb muss vorweg nachgewiesen werden, dass die Deckschicht der Lagerstätte (overburden) ausreichend dicht ist und das ist mit modernen Messmethoden möglich.

SSADWV: Sie haben auch in Ihrem Buch erwähnt, dass sehr viele Lagerstätten zur Speicherung verwendet werden, wie lange könnte man mit dem gespeicherten Gas Österreich versorgen?

Herr Ruthammer: Wenn man die Speicher der RAG, welche sich in Oberösterreich befinden, zu denen der OMV dazu rechnet, reicht das um den Jahresbedarf zu decken. Die OMV verfügt zum Beispiel über einen Speicher mit rund 2,2 Milliarden Kubikmeter Fassungsvermögen, was immerhin für ein Vierteljahr ausreichen würde. Gut dass wir auf diese Beispiel zu sprechen kommen: Als nämlich vor mehreren Jahren kurzfristig kein Gas mehr aus Russland durch die Ukraine kam, konnte man diesen Ausfall mit unseren Speichern überbrücken. Ebenso kann ein in der kalten Jahreszeit auftretender Spitzenbedarf am besten mit Speichern gedeckt werden. Der Gasproduzent – z.B. Russland – kann ja nicht dauernd die zu liefernde Menge verändern. Mit dem Speichervolumen der RAG und der OMV stehen wir weltweit, im Vergleich zum Eigenbedarf, an der Spitze.

SSADWV: In Ihrem Buch ist auch zu lesen, dass zu Beginn der Förderungen das Weinviertel massiv durch Kettenfahrzeuge verwüstet wurde. Weingärten wurden oft verschmutzt und des gab Brände und Explosionen. Hat sich das etwas negativ auf die Ansicht der Bevölkerung gegenüber dem Öl ausgewirkt, bzw. hat der Ruf der ÖMV darunter gelitten?

Herr Ruthammer: Es war eher umgekehrt, da die ÖMV [vormals SMV] nach ihrer Gründung im Jahr 1956 begonnen hat all diese Mängel schrittweise und so rasch wie möglich zu beheben. Wie schon erwähnt wurde eine Wasseraufbereitungsanlage errichtet. Das vorher ungenutzt in die Atmosphäre entweichende Erdölbegleitgas wurde gesammelt, komprimiert und Verbrauchern zugeführt, Straßen wurden befestigt, die Raupenfahrzeuge zum Großteil abgeschafft und das Feld insgesamt „aufgeräumt“.

Der damalige Felddirektor Tlustos – eine legendäre Figur des Weinviertler Erdölwesens – hat dazu passend gesagt: “Wir haben das Rad wieder erfunden”. Übrigens, waren Sie schon einmal am Erdöllehrpfad in Prottes? Dort steht noch ein Stalinez-Raupenfahrzeug. Das Bild, in meinem Buch, auf dem ein Bohrturm von 10 Stalinez im aufrechten Zustand gezogen wird, ist auch sehr eindrucksvoll.

SSADWV: Wie wichtig war die Erdöl- und Erdgasförderung nach dem Krieg für das Weinviertel?

Herr Ruthammer: Sehr wichtig. Erstens hat die Branche unheimlich viele Arbeitsplätze geschaffen und zweitens wurde die Handelsbilanz der Republik Österreich durch die Erdölproduktion enorm entlastet. Anfang der 50er Jahre, etwa 1953/54, wurde ja auch die Maximalproduktion erreicht und wir haben wesentlich mehr produziert, als Österreich verbraucht hat. Das waren 3,5 Mio. Tonnen im Jahr. Andererseits haben die Russen Reparationszahlungen, in Form von Öl, von Österreich gefordert. Das waren die berühmten 10 Mio. Tonnen, wovon knapp über 8 Mio. Tonnen geliefert wurden. Wir haben dann sogar Öl zurückbekommen, allerdings Öl mit hohem Schwefelgehalt. Das hat rückblickend gesehen aber den Vorteil gehabt, dass die Raffinerie Schwechat, welche auch in den 50er Jahren neu errichtet wurde, technisch gleich so ausgelegt wurde, dass sie auch dieses Öl verarbeiten kann.

SSADWV: Die Ölförderung war zu Beginn schwere körperliche Arbeit, wurde aber verhältnismäßig gut bezahlt und war eigentlich sehr beliebt. Welche Rolle hat die Sowjetunion (über die SMV) hier gespielt?

Herr Ruthammer: Die Erdölfirmen haben ja nur Schlüsselpersonal und rekrutieren, wenn sie in einem bestimmten Gebiet tätig werden, vor Ort das Personal. Dadurch entwickeln sich natürlich auch Fachkräfte. Damals war das leitende Personal von Russen besetzt, aber es wurden alle aus der Umgebung, die sich beworben hatten, eingesetzt. Da waren auch Bäcker und Schuster dabei und wer Kommunist war, hat auf jeden Fall einen Job bekommen. In meinem Buch befindet sich ein Ausschnitt aus einer Zeitung, aus der Russenzeit, für den ich ein bisschen kritisiert worden bin. Aber es ist nicht abzustreiten, dass die Russen im sozialen Bereich viele Verbesserungen eingeführt haben. Natürlich war die Arbeit schwer, aber damals waren auch andere Berufe anstrengend, die heute durch die technische Verbesserungen nicht mehr so anstrengend sind. Im Winter ist die Arbeit auf einer Bohranlage sehr schwer. Deshalb finde ich es gut, dass die Erdölstudenten Ferialpraxis im Erdölfeld machen müssen. Durch dieses “putting hands on”, das eigene Mitarbeiten, bekommt man ein Gespür für die Leistung der Männer im Feld.

SSADWV: Wir haben vorhin schon angesprochen, dass Österreich in den 1950er Jahren einen Überschuss produziert hat. Zu wieviel Prozent kann man heutzutage den nationalen Bedarf, mit dem hier geförderten Öl, decken?

Herr Ruthammer: Das ist natürlich viel weniger, aber ich würde sagen beim Öl sind das ungefähr 10 Prozent und beim Gas ca. 15 Prozent. Nageln Sie mich bei Zahlen bitte nicht fest, aber das sind gute Richtwerte. Die geologische Bundesanstalt bekommt die Zahlen von der RAG und der OMV und die gibt alljährlich einen Bericht heraus, in dem man die Förderungsveränderung, die Anzahl der Sonden und die Anzahl der Bohrungen genau nachlesen kann.

SSADWV: Denken Sie, dass Öl aus Algen in Zukunft eine Alternative für Erdöl sein könnte?

Herr Ruthammer: Öl aus Algen? Ich kann mir nur vorstellen, dass die Herstellung ein ziemlich aufwändiger Prozess ist, der möglicherweise wiederum an dem Aufwand scheitert. Persönlich habe ich noch nichts davon gehört.

SSADWV: In Österreich gibt es ein Unternehmen (Ecoduna), das sich damit beschäftigt. Dabei werden in Photobioreaktoren Algen angepflanzt. Manche Algenarten können sehr große Mengen Öl produzieren, aber ein Problem ist auch, dass im Wasser keine Kontaminationen vorhanden sein dürfen. Für die Düngung wird außerdem viel Phosphor benötigt. In Amerika ist aber auch das Militär am Algenöl als Alternative zum normalen Kerosin interessiert.

Schweröl-Lagerstätten gibt es zum Beispiel in Albanien oder der Türkei, das Öl ist aber so zäh, dass man es, bildlich gesprochen, schaufeln muss.

Herr Ruthammer: Von Nahrungsmitteln aus Algen habe ich schon gehört, von der Umwandlung in Treibstoffe eigentlich sehr wenig. Hier möchte ich auf das schon erwähnte „Ressourcen-Dreieck“ zurückkommen.

In der roten Spitze ist das Öl, das bisher gefördert wurde und von dem nicht mehr allzu viel vorhanden ist. Dieses konnte und kann einfach und preisgünstig gewonnen werden. Danach kommt der wesentlich größere Teil, die unkonventionellen Vorräte, also das schwieriger, das heißt mittels konventioneller Methoden nicht mehr gewinnbare Öl. Das gilt in noch stärkerem Maße für die ganz unten in der Pyramide stehenden Ressourcen. Schweröl-Lagerstätten gibt es zum Beispiel in Albanien oder der Türkei, das Öl ist aber so zäh, dass man es, bildlich gesprochen, schaufeln muss. Hier sind auch die bisher noch gar nicht geförderten Gashydrate angesiedelt. Diese Methanvorkommen sind mengenmäßig unvorstellbar groß, und kommen in Permafrostgebieten oder unterhalb der Meeresböden vor und stehen unter sehr hohem Druck. Das „Coalbed Methane“ wird mit aufwendigen Methoden aus Kohlenflözen zum Beispiel in Polen gewonnen.

SSADWV: In Kanada wird im Tagebau Ölsand abgebaut, was sehr umstritten ist. Wahrscheinlich nicht zu unrecht.

Herr Ruthammer: Da sind sicherlich viele Bewegungen im Gange, den Prozess umweltfreundlicher zu gestalten, aber was jetzt gerade passiert ist wirklich bedenklich. Das sieht man auf den Luftaufnahmen von den kanadischen Athabasca oil sands oder im Orinoco-Becken, in Südamerika. Das sind Paradebeispiele für Ölschiefer und Ölsande. Der Wasserverbrauch in der Produktion ist gewaltig, also ist es wichtig Wasser-Recycling zu betreiben.

SSADWV: Man muss auch sagen, dass uns das Erdöl massiven Wohlstand beschert hat und ohne diesen Rohstoff wären wir mit unseren Technologien auch nicht da, wo wir jetzt sind. Aber wir sind auch stark abhängig davon geworden. Die Landwirtschaft oder der Transport würden ohne Erdöl nicht funktionieren und die ganze Wirtschaft würde zum Stillstand kommen. Sollte diese Abhängigkeit, vor allem auch weil der Rohstoffpreis extremen Schwankungen unterliegt, wieder reduziert werden?

Herr Ruthammer: Die Volatilität des Ölpreises ist gewaltig, der Preis ändert sich von heute auf morgen. Wenn der amerikanische Präsident einen Husten bekommt oder eine Hafenmannschaft in Nigeria streikt, geht der Preis gleich mit. Vor vielen Jahren gab es dazu in der Züricher Allgemeinen Zeitung einen lustigen Artikel: Man beschreibt jeweils zwei widersprüchliche Geschehnisse das Erdöl betreffend – beide bewirken aber dasselbe, nämlich dass der Preis steigt. Natürlich sinkt der Preis, wenn ein Überangebot entsteht. Den auf uns zukommenden Ölmangel, von dem oft in Zusammenhang mit der Peak Oil-Theorie von King Hubbert, geredet wird, gibt es noch immer nicht. Es werden laufend neue Lagerstätten entdeckt und die Lagerstättenentölung wird ebenfalls verbessert.

Da geht’s dann vor allem um die Politik. Die Saudis fördern weniger, damit der Preis steigt und Katar fördert mehr Öl, um gegen seine Isolierung anzukämpfen. Im Land mit den größten Erdölreserven, Venezuela, verhungert die Bevölkerung. Der Einfluss der Politik auf den Ölpreis ist gewaltig.

Ich kann Ihnen die Zeitung “Kulturnachrichten aus dem Weinviertel” ans Herz legen – die finde ich sehr empfehlenswert, aber sie erscheint leider nur viermal im Jahr. Diesmal sind mir ein paar Schlagzeilen ins Auge gestochen: “Vom Versinken des Weinviertels im monströsen Windradlwald“, „Grenzenloser Zynismus oder doch grenzenlose Dummheit?“ und „San wir schon alle windradldeppat?“. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen, was hier vorgeht. Es wird enorm viel Geld investiert, die Kosten werden den Konsumenten aufgehalst und ein paar Firmen verdienen sich krumm und dämlich. Windräder haben ja auch eine begrenzte Lebensdauer, da würde mich interessieren, wer für die Kosten beim Abriss aufkommt – die haben ja auch ein riesen Fundament. Die 150 Meter Windräder sind mittlerweile schon unwirtschaftlich, daher baut man jetzt 200 Meter hohe. Die Auswirkungen durch die alles überragenden Windräder kann man bei einem Ausflug in die Leiser Berge sehen.

Der Gesamtwirkungsgrad der Anlagen ist sehr niedrig und niemand fragt nach dem Energieaufwand bei der Herstellung. Außerdem braucht man für die Zeiten, in denen kein Wind geht, konventionelle Kraftwerke mit etwa zwei Drittel der installierten „Windradleistung“ im Standby. Das heißt thermische Gaskraftwerke müssen bereitstehen und funktionieren, damit sie einspringen können, wenn es notwendig ist. Natürlich arbeiten die dann auch mit einem sehr schlechten Wirkungsgrad, weil sie immer ein- und ausgeschaltet werden und warm gehalten werden müssen. Deshalb sollte man die Kirche im Dorf lassen, was Windräder betrifft.

Der Weg bis zur Elektromobilität wird nicht leicht sein. Außerdem haben wir derzeit absolut kein geeignetes Stromnetz.

SSADWV: Probleme gibt es also auf beiden Seiten. Wie schätzen Sie die Elektromobilität ein. Wird sich diese in den nächsten Jahrzehnten durchsetzen?

Herr Ruthammer: Dafür muss offen auf den Tisch gelegt werden, wie groß die Reichweite der Akkus ist, weil diese ist stark begrenzt. Bei LKWs wird das überhaupt ein Problem, brauchen die dann einen Anhänger für die Batterien? Und wie schaut’s mit den riesigen Schiffen aus, die mit Schweröl angetrieben werden oder welche Alternativen wird man in der Luftfahrt haben?

Der Weg bis zur Elektromobilität wird nicht leicht sein. Außerdem haben wir derzeit absolut kein geeignetes Stromnetz. Bis 2030 sollen ja keine Benzin- und Diesel-Fahrzeuge mehr fahren. Dazu muss ein Stromnetz mit entsprechender Leistung errichtet werden. Wer soll dieses finanzieren? Das sind nicht nur meine Bedenken. Aber natürlich wäre es lustig, wie im Prater Autodrom zu fahren.

SSAWDV: Sie haben keine Bedenken, dass das Erdöl in den nächsten Jahrzehnten knapp wird?

Herr Ruthammer: Wenn wir versuchen das Erdöl und Erdgas, dort wo es möglich ist, so weit wie möglich zu ersetzen. Man darf aber auch nicht das Kind mit dem Bad ausschütten und beschließen, dass alles ersetzt werden muss – das geht auch gar nicht. Aber der Rohstoff sollte uns so lange wie möglich erhalten bleiben. Die Prognosen der Energieagenturen zeigen auch, dass, wenn wir mehr Strom brauchen, die Atomkraftwerke wieder gebraucht werden. Dann würde man aber den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Was das Erdgas betrifft, welches ja noch in viel größeren Mengen vorhanden ist und auch von den stärksten Gegnern nicht verteufelt wird. Mittlerweile gibt es auch das Verfahren “gas to liquid”, bei dem aus Erdgas flüssige Kohlenwasserstoffe hergestellt werden. Das wäre zum Beispiel in Nordafrika wichtig. Wenn man dort mit dem Flugzeug fliegt, ist die Sahara teilweise taghell beleuchtet, weil so viel Gas verbrannt wird. Das liegt daran, dass Erdöl immer vergesellschaftet mit Erdgas aus dem Boden kommt und 1.000 Kilometer südlich vom Mittelmeer wird oft kein Abnehmer für das Gas gefunden. Das kann dann nur “abgefackelt” werden – Milliarden Kubikmeter.

Immerhin wird jetzt schon langsam mit der Verflüssigung begonnen, weil in vielen Gegenden lässt sich das Gas sonst einfach nicht an den Mann bringen. Da ist der Transport ein großes Problem, weil das Gas dafür komprimiert werden muss und ab einer gewissen Distanz wird das Komprimieren teurer als das Gas selbst. Deshalb wäre es eine fantastische Sache, das Gas vor Ort zu verflüssigen, um es dann mit dem Öl abzutransportieren.

SSADWV: Sie haben vorhin schon Venezuela angesprochen und man sieht es auch am Syrienkonflikt, da geht es unter anderem um das Gasfeld im persischen Golf und um die Pipelines, die durch das Land gebaut werden sollen. Wie man sieht führt der Verteilungskonflikt von dem Rohstoff auch oft zu Kriegen. Haben Sie da einen Lösungsansatz?

Herr Ruthammer: Wenn ich einen hätte, hätten ihn viele andere schon vor mir gehabt. Die Menschen in diesem Bereich zu bilden und aufzuklären, wäre ein wichtiger Ansatz, aber das wird durch die weltweite Uneinigkeit der Politik verhindert. In der Erdölindustrie funktioniert zumindest das Tauschen. Das Gas aus Russland, an dem die OMV ja beteiligt ist, kommt nicht direkt zu uns, sondern zu näher liegenden Verbrauchern. Wir bekommen dafür Gas aus uns näher liegenden Quellen.

SSADWV: Sie haben am Anfang des Gesprächs auch den Park für unkonventionelle Energien angesprochen und dass es die Überlegung gab, dort Geothermie einzusetzen. Ist dieses Projekt dann noch weiter verfolgt worden und ist noch Forschung in diesem Bereich betrieben worden?

Herr Ruthammer: Die OMV hat ein oder zwei Sonden verwendet, aber ich müsste mich erst schlau machen, ob der Geothermiesektor derzeit noch bearbeitet wird. Es gibt bei der OMV immer wieder Forschungsvorhaben in diese Richtung, da wäre es natürlich sehr interessant, Sonden, die kein Öl und Gas mehr fördern, nicht zu liquidieren, sondern für die thermische Energiegewinnung einzusetzen. Eine Voraussetzung ist aber, dass die Energieabnehmer sehr nahe liegen müssen.

SSADWV: Wäre Geothermie für die Stromerzeugung geeignet?

Herr Ruthammer: Eher nicht. Die Geothermie würde aber Sinn machen, um Glashäuser, Schulen oder Spitäler zu beheizen. Es wurde zwar auch über die Stromerzeugung durch Geothermie nachgedacht, aber dafür braucht es hochgespannten Heissdampf. Man müsste sehr tiefe Bohrlöcher zur Verfügung haben. Der sogenannte geothermische Gradient beträgt 3°C Temperaturzunahme pro 100m Tiefe. Um 100°C anzutreffen müsste man bei einer durchschnittlichen Oberflächentemperatur von 10°C ein dreitausend Meter tiefes Loch bohren.

Erdöl und Erdgas decken zusammen ungefähr 60 Prozent des Weltenergieverbrauchs ab.

SSADWV: Geothermie wäre natürlich ideal, weil damit eine konstante Versorgung gewährleistet werden könnte, nicht wie zum Beispiel mit Windrädern.

Herr Ruthammer: Windräder sind zur Unkultur geworden. Man hört ununterbrochen, wieviele tausend Haushalte versorgt werden könnten, aber dann müssten jetzt schon sämtliche Städte mit Windradstrom versorgt werden. Ein Haushalt verbraucht aber nicht nur Strom, sondern auch andere Energieformen. Wärmepumpen sind da natürlich eine gute Sache, aber mit den Windrädern wird derzeit über das Ziel hinaus geschossen. Es protestieren auch immer mehr Gemeinden gegen die Windräder. Außerdem werden den Konsumenten auch noch die Kosten für Fehlinvestitionen aufgedrückt – das sind sozusagen Förderungen. Es gibt zwar Speichermöglichkeiten, indem der Windradstrom, der gerade nicht gebraucht wird, dafür verwendet wird, Wasser in Speicherkraftwerke hinauf zu pumpen. Aber Windräder haben in Summe trotzdem einen Wirkungsgrad von nur 17 Prozent. Ich bin mir aber nicht sicher ob das noch stimmt, weil dieses Ergebnis stammt von einer Untersuchung, die vor ungefähr fünf Jahren in Deutschland gemacht wurde.

Von 1990 bis 2015 ist der Anteil, den Erdöl an der Energieversorung hat, gestiegen. Erdöl und Erdgas decken zusammen ungefähr 60 Prozent des Weltenergieverbrauchs ab. Die Prognosen sind auch eindeutig: Bis 2040 wird dieser Anteil bestenfalls auf 50 Prozent absinken.

SSADWV: Dazu muss man berücksichtigen, dass Länder wie China jetzt einen stark steigenden Bedarf haben.

Herr Ruthammer: Genau und die erneuerbaren Energien machen bis jetzt nur einen ganz kleinen Prozentsatz der Versorgung aus. Sie haben zwar das stärkste Wachstum, aber fallen im Gesamtbild noch nicht stark ins Gewicht. Der Kohleverbrauch nimmt zwar weltweit ab, in China steigt er aber enorm, sodass die australischen Kohlebergwerke „auf 120 Prozent“ arbeiten. Bei diesem Trend sind sich die Energieinstitutionen alle einig und auch der Gesamtenergieverbrauch wird sich in den nächsten Jahrzehnten höchstens einpendeln. Aber momentan steigt dieser noch.

SSADWV: Wissen Sie ungefähr wie viel Ölpumpen sich im Weinviertel befinden und im Betrieb sind?

Herr Ruthammer: Es sind ja nicht nur Pumpsonden im Betrieb, sondern auch Gasliftsonden, bei denen Gas eingepresst wird, um das Öl herauszudrücken. Ich würde sagen, im Weinviertel fördern ca. 700 Ölsonden. Dann gibt es natürlich auch Gasonden, Gasspeichersonden und Wasserinjektionssonden.

SSADWV: Wo befinden sich aktuell die ergiebigsten Fördergebiete?

Herr Ruthammer: Im Feld Matzen befinden sich die besten Produzenten. Im Durchschnitt beläuft sich die tägliche Fördermenge einer Sonde auf 3,5 Tonnen Öl.

SSADWV: Sind die Förderquoten im Bereich Hohenau noch gut?

Herr Ruthammer: Das Gebiet um Hohenau zählt eigentlich nicht zu den Kerngebieten. Es hat neue Bohrungen in der Umgebung gegeben. In Bernhardsthal zum Beispiel, aber das letzte größere Erdölfeld wurde in Erdpress, zwischen Hohenruppersdorf und Spannberg gefunden. Hier gibt es Sonden, die zwischen 10 und 30 Tonnen Öl am Tag fördern.

SSADWV: Was das Weinviertel betrifft ist der Bezirk Gänserndorf aber der ergiebigste?

Herr Ruthammer: Ja, wegen des Matzner Feldes mit seinen 100 Quadratkilometern. Das erstreckt sich quasi von Prottes bis Bockfließ – ungefähr 12 Kilometer. Auf der Nord-Süd-Achse reicht es im Norden bis zum Matzner Wald – dort befinden sich auch einige Sonden direkt im Wald – und im Süden bis Schönkirchen. Bei diesem Feld kann man mit einer Lebensdauer von noch mehr als 20 Jahren rechnen. Bei solchen Prognosen muss man allerdings auf die schon erwähnten Unsicherheiten betreffend Ölpreis, Reserven und technologische Entwicklung hinweisen.

SSADWV: Im Endeffekt bleibt also immer mehr als die Hälfte des Öls im Boden?

Herr Ruthammer: Beim Öl ja, beim Gas können bis zu 90% gefördert werden.

Man darf eines nicht vergessen. Die Erdöl- und Erdgasgewinnung gehört zum Bergbau, das heißt, dass endliche Vorräte abgebaut werden und die Vorräte geringer werden. Deswegen gehören wir auch zum Bergbau, weil die Reserven nehmen ab. Dennoch ist es ein faszinierende Beschäftigung. Ich habe mit meinem Buch versucht ein bisschen Herz in das oft geschmähte Erdölgeschäft zu bringen, ohne polemisch zu werden. Es soll auch in Erinnerung rufen, wieviel Positives es dem Weinviertel und seinen Bewohnern, letztlich auch ganz Österreich gebracht hat.

SSADWV: Sie haben eingangs auch schon erwähnt, dass Ihr Buch ziemlich erfolgreich war, was uns noch interessieren würde, ist, ob Sie derzeit an einem weiteren Buch oder Projekt arbeiten?

Herr Ruthammer: Dank der Weinviertler und der beiden Erdölfirmen, wurde das Buch ein schöner Erfolg. Viele haben vorgeschlagen, dass ich eine Fortsetzung über das Erdöl im Weinviertel schreiben solle, aber da könnte ich eigentlich nur noch die Weiterentwicklung der OMV und der RAG beleuchten, was aber von diesen Firmen bestens belegt ist. Überdies würde das Weinviertel dabei in den Hintergrund rücken.

Neben den schon erwähnten Büchlein über Pilze und Reptilien habe ich als Hobby ein Buch im „Eigenverlag“ mit einer „Auflage“ von 10 Exemplaren geschrieben. In meiner Studentenzeit habe ich dreieinhalb Monate ein Ferialpraktikum im östlichen Anatolien absolviert, das war überaus interessant und erlebnisreich, deshalb habe ich das zusammen geschrieben. Ich bin per Autostopp von Wien bis Ankara gefahren. Von Ankara habe ich dann den Zug genommen, bin 47 Stunden im Zug gesessen und dann begannen faszinierende und abenteuerliche Wochen.

Derzeit bin ich mit meinen sechs Enkelkindern ziemlich ausgelastet, denke aber, dass mir sicherlich noch etwas einfallen wird.



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